Wenn Füße riechen: Das Grubenorgan der männlichen Varroa-Milben

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Paavo Bergmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Entomologie. Er betreibt anatomische Untersuchungen und stammesgeschichtliche Forschung an Spinnentieren und Insekten.

Die Varroa-Milbe (Varroa destructor) ist einer der wichtigsten Schädlinge der Honigbiene. Mit der Beschreibung des Grubensinnesorgans bei den Männchen der Milbe und dem Nachweis, dass diese damit den Sex-Lockstoff des Weibchens riechen, bietet sich möglicherweise ein Ansatz zur Bekämpfung dieser Bienenparasiten.

In Deutschland ist jedes Bienenvolk von Varroa-Milben befallen.

Ohne Behandlung verläuft der Befall für das Volk tödlich, denn die Milben saugen die Hämolymphe – das „Blut“ – der Bienen und ihrer Larven. Befallene Bienen bleiben kleiner, sind anfälliger für Krankheiten und sterben früher als gesunde Artgenossen. Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten daran, Mittel und Wege zu finden, um die Ausbreitung dieser Schädlinge einzudämmen – mit mehr oder weniger Erfolg.

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Die Milbe Varroa destructor ist ein Parasit der Honigbiene. Bild: SMNS/Bergmann.

Auch an der Universität Hohenheim, genauer gesagt an der Landesanstalt für Bienenkunde, wird an der Varroamilbe geforscht. Eine Stoßrichtung ist hierbei der Versuch, die Fortpflanzung der Milbe zu unterbinden. Bettina Ziegelmann wies kürzlich zusammen mit Kollegen aus Hohenheim nach, dass von den Weibchen abgesonderte Sexualpheromone eine große Rolle bei der Geschlechterfindung der Milben spielen. Ihnen gelang es sogar, die chemische Zusammensetzung der Sexuallockstoffe aufzuschlüsseln.

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Varroamilben saugen Hämolymphe aus Honigbienen. Bild: Landesanstalt für Bienenkunde / Ziegelmann.

Doch wie riechen die männlichen Milben diese Lockstoffe? Eigentlich sollte man meinen, dass die Anatomie der Sinnesorgane bei der Varroa-Milbe längst im Detail bekannt ist. Zwar wusste man, dass weibliche Milben ein Riechorgan auf den Vorderbeinen tragen, doch wie sieht es bei den Männchen aus? Die Hohenheimer Forscherin Claudia Häußermann von der Landesanstalt für Bienenkunde wollte klären, mit welchen Organen die Männchen diese Gerüche wahrnehmen können. Die Kleinheit der Tiere erschwerte deren Untersuchung, daher wandte sie sich an mich als Milbenmorphologen mit der Bitte, sie bei rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen zu unterstützen. Zusammen konnten wir durch Aufnahmen an unserem Rasterelektronenmikroskop bestätigen, dass auch die Männchen von Varroa destructor ein gut ausgebildetes Grubenorgan auf ihren Vorderbeinen besitzen und dessen Bau im Detail aufklären.

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Das Grubenorgan der männlichen Varroa destructor sitzt am Vorderbein. Bild: SMNS/Bergmann.

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Das kleine Varroa-Männchen auf dem Rücken des Weibchens (links) und beim „tip-over-movement“ (rechts). Bild: Landesanstalt für Bienenkunde / Ziegelmann.

Dass die Männchen tatsächlich mit diesem Organ die Sexualpheromone wahrnehmen, zeigte ein Experiment: Normalerweise besteigt die männliche Milbe den Rücken des Weibchens, beugt sich von dort seitlich hinunter („tip-over movement“), sucht mit den Vorderbeinen die Geschlechtsöffnung des Weibchens und überträgt dann mit seinen Mundwerkzeugen ein Spermienpaket.

Wurden jedoch die Vorderbeine der Männchen mit Nagellack versiegelt, konnten diese die Geschlechtsöffnung der Weibchen nicht mehr erriechen: Ein „tip-over movement“ fand gar nicht erst statt. Mit unserer jetzt erschienenen Arbeit ist das männliche Grubenorgan der Varroa in den Fokus der Forschung geraten. Durch Ausschalten des männlichen Geruchsinnes könnte der Fortpflanzungszyklus der Milbe durchbrochen werden – und dies, ohne den Bienen dabei zu schaden.

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Verschnupfte Varroamilbe mit Nagellack auf den Vorderbeinen. Bild: Landesanstalt für Bienenkunde / Häußermann.

Einen zweiten Ansatz bietet die Untersuchung der Weibchen, denn auch der Ort der Produktion und Freisetzung des weiblichen Sexualpheromons ist im Detail noch ungeklärt – der  geplante Ausbau des histologischen Labors am Museum würde jedenfalls auch künftig  eine weitere Zusammenarbeit an diesem spannenden Thema ermöglichen.

Literatur:

Häußermann, C., Ziegelmann, B., Bergmann, P., Rosenkranz, P. (2015): Male mites (Varroa destructor) perceive the female sex pheromone with the sensory pit organ on the front leg tarsi. Apidologie.

Ziegelmann, B., Rosenkranz, P. (2014): Mating disruption of the honeybee mite Varroa destructor under laboratory and field conditions. Chemoecology.

Ziegelmann, B., Tolasch, T., Steidle, J.L.M., Rosenkranz, P. (2013): The mating behavior of Varroa destructor is triggered by a female sex pheromone. Part 2: Identification and dose-dependent effects of components of the Varroa sex pheromone. Apidologie 44: 481–490.

Naturkundemuseum Stuttgart

Das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart (SMNS) mit seinen beiden Standorten Museum am Löwentor und Schloss Rosenstein ist eines der größten Naturkundemuseen Deutschlands und versteht sich als zukunftsorientierte Forschungs- und Bildungseinrichtung. Es trägt Verantwortung für umfangreiche wissenschaftliche Sammlungen aus den Bereichen Botanik, Entomologie, Geologie, Mineralogie, Paläontologie und Zoologie. Diese Sammlungen stellen ein Archiv der Natur von internationalem Rang und kulturellem Wert dar. Mit Sammlungen und Forschungsleistungen sowie als Institution der zeitgemäßen Vermittlung naturkundlichen Wissens in Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen ist das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart ein wesentlicher Bestandteil der Kultur- und Wissenslandschaft Baden-Württembergs.

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