Schaben zu Hause: The good, the bad and the ugly!
Artbestimmung – Alltag im Arbeitsleben eines Kurators
Neben dem Aufbau einer wissenschaftlichen Sammlung und deren systematischer Erforschung gehört auch dies zu meiner alltäglichen Arbeit als Kurator im Naturkundemuseum: Regelmäßig landen tote oder lebendige Tiere – in meinem Falle Insekten – auf dem Schreibtisch mit der Bitte, diese zu bestimmen.

Dr. Arnold Staniczek forscht in der Abteilung Entomologie als Kurator für aquatische Insekten an lebenden und ausgestorbenen Eintagsfliegen, der ursprünglichsten Gruppe der geflügelten Insekten
Dies können vom Zoll beschlagnahmte tierische Reisemitbringsel sein. Hier muss ich klären, ob es sich um geschützte Arten handelt, deren Einfuhr verboten ist. Meistens möchten Menschen aber auch nur einfach wissen, welches auffällige Insekt ihnen da über den Weg gelaufen ist. Oft schwingt auch die Sorge mit, dass sich ein Schädling oder Krankheitsüberträger im eigenen Heim eingenistet hat.
Besonders zum ausgehenden Sommer hin häufen sich wieder die Anfragen, bei denen besorgte Bürger bei uns vorbeikommen und verdächtige Insekten mitbringen, die sie in Ihrer Wohnung gefunden haben – die bange Frage lautet stets: Haben wir Küchenschaben im Haus?
Wenn man Schaben bei sich zu Hause vermutet, läuten in der Regel alle Alarmglocken – schließlich haben Küchenschaben keinen besonders guten Ruf. Doch die Arten, die sich jetzt im Herbst zu uns ins Haus verirren, sind in der Regel harmlos. Ich konnte bisher in allen Fällen, bei denen ich zur Identifikation von Schaben gebeten wurde, Entwarnung geben: Bei den meisten Schaben, die ins Warme wollten, handelte es sich stets um die harmlose Bernsteinschabe aus der Familie der Waldschaben. Doch wie kann man diese bernsteinfarbenen Flitzer von den als Küchenschaben bekannten Arten unterscheiden? Hier ein paar Hinweise zur Identifizierung und mehr oder weniger ernst gemeinte Tips bei Schabenkontakt:
The good….

Das ganze Tier ist hellbraun gefärbt, auch das Halsschild der Bernsteinschabe ist einfarbig hellbraun! Bild: wikimedia commons
Bernsteinschaben (Ectobius vittiventris) gehören zur Familie der Waldschaben (Ectobiidae) und sind ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatet. Sie haben sich im Zuge des Klimawandels nach Norden ausgebreitet und sind inzwischen seit über 10 Jahren in Süddeutschland heimisch geworden. Auch diverse Zeitungsmeldungen belegen, dass die Ankunft der Bernsteinschaben im Ländle nicht unbemerkt geblieben ist. Aber keine Angst: Die Bernsteinschabe ist ein harmloser Geselle, der in Wäldern und Parks lebt und sich von verrottenden Pflanzen ernährt. Sie kann mangels geeigneter Nahrung nicht längere Zeit im Haus überleben.
Tip: Tiere im Haus einfach im Marmeladenglas fangen und darin nach außen transportieren. Wer Sie gar nicht leiden kann, der sollte darauf achten, abends bei Licht die Fenster zu schließen oder auch Insektenschutzgitter anzubringen, denn die Tiere werden abends durch Licht angelockt. Dies unterscheidet sie übrigens auch von den weniger gern gesehenen Arten, die das Licht scheuen. Eine Bekämpfung mit Chemikalien ist weder nötig noch angebracht.
..the bad….

Im Unterschied zur harmlosen Bernsteinschabe besitzt die Deutsche Schabe zwei parallele dunkle Längsstreifen auf dem Halsschild. Bild: wikimedia commons
Die Deutsche Schabe (Blatella germanica) ist in unseren Breiten kein Freilandbewohner, sondern fühlt sich nur in warmen und feuchten menschlichen Behausungen mit ausreichendem Nahrungsangebot wohl. Typischerweise sind das Gaststätten, Hotels oder Großküchen mit zweifelhaften hygienischen Verhältnissen. Hier können die nachtaktiven, lichtscheuen Flitzer herumliegende Essensvorräte verunreinigen. Bei einer Entdeckung in der Pizza oder auf dem Hotelflur sorgt der Ekelfaktor in der Regel für spitze Schreie.
Tip: Packen Sie die im Restaurant entdeckte Deutsche Schabe ein und informieren Sie zu Hause den Wirtschaftskontrolldienst. Alternative für Hartgesottene: Eine mitgebrachte Deutsche Schabe im gehobenen Restaurant auf den Teller legen und die Geschäftsleitung verlangen. Dies garantiert einen schönen und kostenfreien Abend! Haben Sie die Deutsche Schabe wirklich bei sich zu Hause: – ziehen Sie einen Fachmann zu Rate oder ziehen Sie aus.
Außerhalb Schwabens wird die Deutsche Schabe übrigens auch gerne „Schwabe“ genannt… sollte uns das zu denken geben?
…and the ugly!
Die Kakerlake (Blatta orientalis) ist der Inbegriff des widerstandsfähigen Insektes im menschlichen Umfeld. Selbst oberirdische Atombombentests auf dem Bikiniatoll konnte ihnen dort nichts anhaben. Ähnlich wie die Deutsche Schabe hat sie es gerne feucht und warm, scheut das Licht und ist nachts auf Nahrungssuche. Auch sie ist bei uns am wahrscheinlichsten in hygenisch mangelhaften Bäckereien, Großküchen oder Restaurants anzutreffen.
Tip: Holen Sie den Kammerjäger oder wandern Sie aus. Bikiniatoll reicht aber nicht – um kakerlakenfrei zu leben, sollten Sie sich ein Eigenheim in der Antarktis zulegen. Bleibt die Klimaerwärmung allerdings konstant, könnte es gut sein, dass sich Ihr Enkel zukünftig auch die Antarktis mit den Schaben teilen muss.
In diesem Sinne: Viva la cucaracha!
Nachtrag am 3.8.2017:
Die Bernsteinschabe beschäftigt uns immer noch – denn sie gehört inzwischen zu den häufigeren Insekten in urbanen Habitaten. Im verlinkten Zeitungsartikel ist allerdings fälschlicherweise nicht die Bernsteinschabe abgebildet, sondern eine Gemeine Waldschabe – hätten Sie’s erkannt?
Nützliche Links:
Sehr schön zusammengefasst können Sie im Merkblatt des Landesgesundheitsamtes Stuttgart die Unterschiede in Bau und Lebensweise verschiedener Schabenarten noch einmal nachlesen. In diesem Merkblatt der Stadt Zürich findet sich ebenfalls Wissenswertes über die Bernsteinschabe. Wer Schaben wissenschaftlich korrekt bestimmen möchte, der sollte sich allerdings diesen Bestimmungsschlüssel zu Gemüte führen.
Guten Tag,
danke für den Interessanten Artikel.
Leider ist der Link nach Zürich und der zum Bestimmungsschlüssel defekt.
Viele Grüße
Danke für den Hinweis, die links wurden aktualisiert und sollten jetzt wieder zur Verfügung stehen!
Danke für Ihren Artikel!
Auch bei mir ist es bloß die Bernsteinschabe gewesen. 🙂
Bin erleichtert… Das was ich eben mit dem Glas eingefangen habe, ist kein „bad guy“.
Danke für ihren Blog. Ohne ihre Info’s hätte ich jetzt wohl etwas Probleme mit dem Einschlafen.
Das Tierchen hat mich hier in NRW, im Ennepe-Ruhr-Kreis besucht. Meine Leselampe wirkte wohl sehr anziehend. 😉
Die Bernsteinschabe ist die letzten Jahre jeden Sommer in unserer Wohnung anzutreffen. Dank dem bildlichen Vergleich wurde meine anfängliche Panik leicht genommen. Fange trotzdem jede ein, um den Schild auf Streifen zu inspizieren
Ich fürchte der Link am Ende ist tot. (http://gesundheitsamt-bw.de/SiteCollectionDocuments/30_Gesundheitsth_Hygiene/Schaben_Information.pdf)
Das file ist hier noch erreichbar:
https://www.yumpu.com/de/document/view/3149314/schaben-information
Vielen Dank für den Blog, ich hab festgestellt, The Good ist bei mir auf Besuch 🙂