Faszination Vulkan: Das Randecker Maar
Das Leben unter dem Einfluss des Schwäbischen Super-Vulkans

PD Dr. Michael Rasser ist Kurator für Tertiäre und Quartäre Wirbellose am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart.
Vulkane gehören mit zum Spannendsten, was die Geologie zu bieten hat. Für viele Geologen waren die feuerspeienden Berge der Türöffner zu Wissenschaft. Auch ich kann mich der „Faszination Vulkan“ nicht entziehen, wenn auch mein eigenes wissenschaftliches Interesse eher fossilen Ökosystemen und ihrer Rekonstruktion gilt. Deshalb ist das Randecker Maar für mich ein ganz besonderer Glücksfall. Hier kann ich nämlich beiden Leidenschaften frönen: Als Folge einer vulkanischen Explosion entwickelte sich nämlich ein komplexes Ökosystem.
Maarseen – etwas ganz Besonderes
Eine Besonderheit mancher Vulkangebiete ist, dass sich in ihren Kratern kleinräumige und abgeschlossene See-System entwickeln können. Solche kreisrunden Maarseen kann man zum Beispiel in der Eifel bewundern.
Maarseen sind etwas Besonderes: Sie sind meist extrem tief. Deshalb ist das Wasser in ihnen oft stabil geschichtet und durchmischt sich nicht. Das Wasser am Seeboden ist sauerstoffarm. Daher gibt es kaum Bodenleben und das Sediment wird nicht aufgewühlt. Es bilden sich feinste Schichten mit perfekt erhaltenen Fossilien. Die fein laminierten Schichten erzählen wie die Seiten eines Buches die Geschichte des Sees, seiner Wasserchemie und der Temperatur (und damit auch des Klimas seiner Umgebung). Und die Fossilien erzählen gleichzeitig die Geschichte des Lebens – für mich als Wissenschaftler ideale Arbeitsbedingungen.
Das Randecker Maar

Das Panoramafoto vom Nordrand gegen Süden auf das Albvorland gibt einen Überblick über die Kleinräumigkeit des ehemaligen Maarsees. Die Kalksteinblöcke im Vordergrund lagen am Kraterrand des Maars. Der bewaldete Höhenrücken stellt den Südrand dar. Im Hintergrund sieht man die Limburg, einen von der Erosion verschonten ehemaligen Vulkanschlot.
Ein solcher Maarsee war das Randecker Maar am Nordrand der Schwäbischen Alb südwestlich von Stuttgart. Als dieser See vor rund 16 Millionen Jahren durch eine gewaltige so genannte phreatomagmatische Explosion entstand, dürfte das Leben auf der Schwäbischen Alb recht angenehm gewesen sein. Subtropisches Klima und schattige Wälder mit einer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt. Das einzige, was dieses Idyll trübte, waren wiederholte vulkanische Ausbrüche, welche die Umgebung immer wieder mit Asche bedeckten. Mindestens 350 mal hat der „Schwäbische Vulkan“ die Erde durchschlagen. Der nördlichste Vulkanschlot, der Scharnhäuser Vulkan, liegt vor den Toren Stuttgarts.
Ein neuer Ansatz

Die Grabungsstelle musste klein gehalten werden, da das Randecker Maar heute ein wichtiges Naturschutzgebiet ist (Bild: Michael Rasser).
Dass in dem ehemaligen See spannende Fossilien liegen, wissen wir schon seit rund 150 Jahren. Warum jetzt noch mal graben? Wie gesagt: Was mich besonders interessiert sind weniger einzelne Fossilfunde. Ich will das Ökosystem als Ganzes verstehen. Was aber nicht heißen soll, dass ich mich nicht freue, wenn ich auf ein spektakuläres Fossil stoße!
Im Jahr 2009 begannen wir deshalb, die wissenschaftliche Bearbeitung in Form von Grabungskampagnen wieder aufzunehmen. „Wir“ – das sind meine Kollegen vom Museum, Prof. James Nebelsick von der Uni Tübingen und zahlreiche Studenten. Von letzterem profitieren beide: die Studenten, weil die eine ganze Menge über Methoden und Formenvielfalt lernen; wir, weil wir so die Masse an Sediment, die nach Fossilien durchsucht wird, erhöhen können.

Tübinger Studenten halfen beim Spalten des Sediments, auf der Suche nach Fossilien (Bild: Michael Rasser).
Die Ergebnisse unserer aktuellen Grabungen und die Aufarbeitung von tausenden bereits früher geborgenen Objekten aus unseren Magazinen führten zu einer völlig neue Sichtweise über das Leben im und am Randecker Maar. Jetzt haben wir eine ziemlich klare Vorstellung über dieses Seesystem, welches in der Zeit des „Miozänen Klimaoptimums“ existierte – das war der letzte Zeitabschnitt mit wärmeliebenden Pflanzen und Tieren in Zentraleuropa. Ökologische Aussagen bekommen wir unter anderem dadurch, dass wir fossile Arten möglichst genau bestimmen und mit heute lebenden Verwandten vergleichen. Die ökologischen Vorlieben der heutigen Verwandten können dann Hinweise geben auf die Vorlieben der fossilen Art.
Ein neues Bild des alten Maarsees

Die 16 Millionen Jahre alten Libellenlarven gleichen den heutigen so sehr, dass sie selbst von Laien leicht zu erkennen sind (Bild: Michael Rasser).
Für das Randecker Maar haben wir anhand von mehr als 360 Arten folgendes Lebensbild rekonstruiert:

Dieser 30 cm lange Schädel ist ein Beleg dafür, dass auch Krokodile in der Umgebung des Maarsees lebten. Ein Fund aus unserer Grabung im Jahr 2011 (Bild: Michael Rasser).

Der 5 cm lange „Randecker Molch“ ist bislang nur von hier bekannt. Der nahe Verwandte des Bergmolchs wurde bei unserer Grabung 2009 erstmals entdeckt und als Ichthyosaura randeckensis neu beschrieben (Bild: Michael Rasser).
Der Seeboden in den tieferen Bereichen war sauerstoffarm und damit lebensfeindlich. Im flacheren Wasser sah das anders aus. Dort lebte eine vielfältige Flora und Fauna, von mikroskopisch kleinen Muschelkrebsen über Libellenlarven und Amphibien bis hin zu Schildkröten.
Es gab einen schmalen Schilfgürtel; auf den Schilfstängeln saßen kleine Napfschnecken und Insekten. Den Kraterrand und vor allem seine Umgebung bedeckten mittelfeuchte bis mäßig trockene Wälder mit Hartlaubgewächsen. Dort lebten Landschildkröten und große Säuger, darunter bizarr anmutende Tiere wie Elefanten mit vier Stoßzähnen, kleine Hirsche mit zu Hauern verlängerten Eckzähnen und hornlose Nashörner.
Eingestreut waren trockene, sonnenbeschienene Hänge, übersät mit Kalksteinblöcken, die bei der vulkanischen Explosion ausgeschleudert worden waren. Auf diesen saßen Kornschnecken und wärmeliebende Insekten.
Neue Fragen – neue Grabungen
Dank eingehender taxonomischer und ökologischer Analysen wissen wir also nun schon einiges über diesen See in der letzten Klimaphase mit subtropischem Klima in Deutschland. Aber neue Forschungsergebnisse werfen immer auch neue Fragen auf: Wie entwickelten sich die Lebensräume im Einzelnen? Welche ökologischen Faktoren sind ausschlaggebend? Darüber wissen wir noch kaum etwas. Es bleibt also spannend!
Neue Daten müssen her, um diese Fragen anzugehen. Im Sommer 2015 heißt es deshalb wieder: An die Spaten! Wieder zusammen mit der Uni Tübingen und unter der Beteiligung einer Vielzahl von Studenten.
Wissenschaftliche Veröffentlichung:
Rasser, M.W., Bechly, G., Böttcher, R., Ebner, M., Heizmann, E.P.J., Höltke, O., Joachim, C., Kern, A.K., Kovar-Eder, J., Nebelsick, J.H., Roth-Nebelsick, A., Schweigert, G., Schoch, R.R., Ziegler, R. (2013): The Randeck Maar: Palaeoenvironment and habitat differentiation of a Miocene lacustrine system. -Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology, 392: 426-453.
Populärwissenschaftliche Veröffentlichungen:
Schweigert, G. (1998): Das Randecker Maar – Ein fossiler Kratersee am Albtrauf. – Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde – Serie C, 43: 70 S.
Rasser, M.W. 2012. Das Randecker Maar: Fossilien aus einem miozänen Kratersee. – Fossilien 2/2012: 86-91.